Mit der Abschaffung der dauerhaften Fixierung der Sauen im Kastenstand im Abferkelstall werden den Sauen mehr Bewegungsmöglichkeiten zugestanden. Damit diese Bewegungsfreiheit der Sau nicht zur Gefahr für die Ferkel wird, müssen Anpassungen in Buchtenstruktur und Management vorgenommen werden. Einige der wichtigsten Stellschrauben zur Reduktion von Saugferkelverlusten werden im Folgenden vorgestellt (Bild 1).
Skizze 1: Erdrückungsverluste minimieren
Während des Abliegens sowie bei Lagewechseln der Sau (z.B. Drehen von einer auf die andere Seite) ist die Gefahr von Erdrückungsverlusten der Ferkel am höchsten. Um diese zu minimieren gilt es darum den Ferkeln
Bilder Nr. 1 – 4:
Bilder Nr. 5 – 8:
Schnelle Geburten bedeuten weniger Stress, Erschöpfung und Komplikationswahrscheinlichkeiten für die Sau und gehen für gewöhnlich mit einer höheren Lebhaftigkeit/ Vitalität der Ferkel einher. Die Geburtslänge kann u.a. positiv beeinflusst werden durch:
Der größte Anteil an Saugferkelverlusten findet für gewöhnlich in den ersten drei Tagen nach der Geburt statt. Die Ferkel sind zu diesem Zeitpunkt noch sehr klein und geraten schnell in Unterzucker oder Untertemperatur. Beides reduziert die Reaktionsgeschwindigkeit der Ferkel, der Mutter auszuweichen, sehr stark. Fitte/ vitale Ferkel sind darum ein Schlüsselfaktor, um Saugferkelverluste zu reduzieren. Folgende Faktoren wirken sich positiv auf die Vitalität der Ferkel aus:
Bilder Nr. 9 + 10:
Ferkel besitzen bei Geburt nur wenig braunes Fettgewebe und haben darum nur wenig Energiereserven, um ihre Körpertemperatur aufrecht zu halten. Sie sind darum auf hohe Umgebungstemperaturen von zu Beginn 34 °C angewiesen. Schlafen die Ferkel neben, an oder auf der Sau um dieses Wärmebedürfnis zu befriedigen, erhöht sich das Risiko, dass die Ferkel erdrückt werden, wenn sich die Sau dreht. Um dies zu vermeiden sollten die Ferkel darum im Ferkelnest ruhen und schlafen. Dies ist besonders in den ersten Tagen nach der Geburt eine Herausforderung, da die Ferkel das Ferkelnest häufig nicht finden oder aus anderen Gründen vermehrt bei der Sau bleiben. Es empfiehlt sich darum, die betroffenen Ferkel in den ersten Lebenstagen immer wieder von Hand in die Ferkelnester zu legen. Zudem muss das Ferkelnest wärmer sein als das Gesäuge der Mutter, so dass der Anreiz bei der Mutter zu schlafen geringer wird (siehe Temperatur im Ferkelnest). Eine deutliche Temperaturdifferenz der Luft zwischen Abferkelstall und Ferkelnest ist darum dringend empfehlenswert (Erdrückungsverluste wegen höherer Stalltemperaturen im Sommer häufig höher). Eine gleichmäßige Verteilung der Wärme im Ferkelnest wie z.B. durch eine Bodenheizung ist der punktuellen Wärme z.B. einer Wärmelampe vorzuziehen. Im Fall von kranken Ferkeln mit z.B. Durchfall, empfiehlt es sich, die Temperatur der externen Wärmequelle zu erhöhen.
Bild Nr. 11: Liegefläche rechts und links des Kastenstandes aufgeteilt.
Mindestgröße des Ferkelnestes = 0,033 * Ø Absetzgewicht0.66 * Ø Wurfgröße
Ø Absetzgewicht (kg) | Mittlere Ferkelzahl je Wurf | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 17 | 18 | |
5,0 | 1,15 | 1,24 | 1,34 | 1,43 | 1,53 | 1,62 | 1,72 |
5,5 | 1,22 | 1,32 | 1,42 | 1,52 | 1,63 | 1,73 | 1,83 |
6,0 | 1,29 | 1,40 | 1,51 | 1,62 | 1,72 | 1,83 | 1,94 |
6,5 | 1,36 | 1,48 | 1,59 | 1,70 | 1,82 | 1,93 | 2,04 |
7,0 | 1,43 | 1,55 | 1,67 | 1,79 | 1,91 | 2,03 | 2,15 |
7,5 | 1,50 | 1,62 | 1,75 | 1,87 | 2,00 | 2,12 | 2,25 |
8,0 | 1,56 | 1,69 | 1,82 | 1,95 | 2,08 | 2,21 | 2,34 |
8,5 | 1,63 | 1,76 | 1,90 | 2,03 | 2,17 | 2,30 | 2,44 |
9,0 | 1,69 | 1,83 | 1,97 | 2,11 | 2,25 | 2,39 | 2,53 |
9,5 | 1,75 | 1,90 | 2,04 | 2,19 | 2,33 | 2,48 | 2,62 |
10,0 | 1,81 | 1,96 | 2,11 | 2,26 | 2,41 | 2,56 | 2,72 |
* Umbauten: Beispiele aus Bayern wann im Rahmen eines Umbaus, auch das Ferkelnest mit angepasst werden muss (3. Fassung der Empfehlung zur Umsetzung der Mindeststandards der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft)
Der Liegebereich muss entweder wärmegedämmt und beheizbar oder mit geeigneter Einstreu bedeckt sein. (§23 Abs. 4 TierSchNutztV) Als wärmedämmend gelten Bodenflächen, wenn sie eine geringere Wärmeableitung aufweisen als Betonboden. Das trifft z. B. auf Kunststoffböden zu (Empfehlungen zur Umsetzung der Mindeststandards der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft; 3. Fassung 07.2021). Perforierter Boden im Liegebereich der Saugferkel muss abgedeckt sein. Die Temperatur im Liegebereich darf während der ersten zehn Tage nach der Geburt 30 °C nicht unterschreiten. In der restlichen Säugezeit gelten abhängig vom Durchschnittsgewicht der Saugferkel folgende Mindestanforderungen an die Temperatur im Liegebereich der Saugferkel. (§27 Abs. 2 TierSchNutztV)
Ferkel > 10 Tage alt: Ø Körpergewicht in Kilogramm |
Temperatur in °C mit Einstreu |
Temperatur in °C ohne Einstreu |
---|---|---|
bis 10 |
16 |
20 |
über 10 bis 20 |
14 |
18 |
über 20 |
12 |
16 |
Eine Aufteilung des Ferkelnests in einen aktiv beheizten und einen nicht beheizten Teil ist zulässig, sofern der gesamte Liegebereich planbefestigt und wärmegedämmt oder entsprechend eingestreut ist (Bild 7). (Empfehlungen zur Umsetzung der Mindeststandards der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft; 3. Fassung 07.2021)
Ob die Temperatur im Liegebereich für die Ferkel stimmt, kann am Liegeverhalten der Ferkel beobachtet werden.
Optimal: Ferkel liegen mit Hautkontakt in Seitenlage nebeneinander (Bilder 12, 13, Skizze Ferkel liegend)
Bilder Nr. 12 + 13:
Zu kalt: Ferkel suchen Wärme bei anderen Ferkeln indem sie sich aufeinanderlegen (Haufenlage, Bilder 14, 15)
Bilder Nr. 14 + 15:
Zu warm: Ferkel liegen verstreut ohne Körperkontakt. Heißeste Stelle, z.B. unter Wärmelampe wird gemieden (Bilder 16, 17)
Bilder Nr. 16 + 17:
Heizung möglich durch Bodenheizung/ isolierter geschlossener Boden und/ oder von oben mit einer Wärmelampe
Vorteile offenes Ferkelnest
Nachteile offenes Ferkelnest
Weitere Beispiele siehe Praxisbeispiele, Betriebe: 22, 29, 30
Weitere Beispiele siehe Praxisbeispiele, Betriebe: 18, 20, 23
Weitere Beispiele siehe Praxisbeispiele, Betriebe: 4, 6, 8, 17, 21, 27
Der Zugang aus und ins Ferkelnest sollte den Ferkeln stets möglich sein (vgl. Bild 5: Zugang zum Ferkelnest durch Sau verschlossen). Es bietet sich darum an, eine Fläche vor dem Ferkelnest, außerhalb des beheizten Bereiches abzugrenzen, welche von mehreren Seiten zugänglich ist, oder durch ihre Form (z.B. rundlich) oder ausreichende Länge einen Zugang jederzeit garantiert (vgl. Bild 4,6 7 und 8 = Zugang kann nicht vollständig durch die Sau verschlossen werden).
Da Sauen ihren Kopf gerne nahe zu den Ferkeln und somit, wenn möglich, teilweise ins Ferkelnest strecken (Bild 18), darf der Weg zum Ferkelnest weder für die Ferkel noch für die Sau Verletzungsgefahren bieten (z.B. scharfe Kanten bei Holz- Ohrverletzungen, Einklemmen des Kopfes: im Fall von Bild 19 musste nachgebessert werden, da sich die Sauen beim Strecken des Kopfes Richtung Ferkelnest unter den Stangen eingeklemmt haben).
Bilder Nr. 18 + 19:
Bilder Nr. 20 + 21:
Die Spaltenweite der Haltungseinrichtung im Aufenthaltsbereich der Saugferkel darf höchstens elf Millimeter betragen. Die Auftrittsbreite muss mindestens der Spaltenweite entsprechen. (§ 22 Abs. 3 Nr. 4 TierSchNutztV)
Wer Schweine hält, hat sicherzustellen, dass jedes Schwein jederzeit Zugang zu Wasser in ausreichender Menge und Qualität hat; bei einer Haltung in Gruppen sind räumlich getrennt von der Futterstelle zusätzliche Tränken in ausreichender Anzahl vorzuhalten. (§ 26 Abs. 1 Nr. 2TierSchNutztV)
Die Anforderung gilt für Ferkel ab dem ersten Lebenstag, d.h. alle Ferkel müssen auch in der Abferkelbucht jederzeit Zugang zu Wasser haben. (Ausführungshinweise Schwein 2023-5 Nr. 12)
Bei mehr als 12 Ferkeln sind zwei Tränkestellen erforderlich → aufgrund ihrer Größe ist eine Mutter Kind Tränke mit Trogfluter ausreichend für bis zu 24 Tiere (zugänglich für mehrere Ferkel gleichzeitig). (Empfehlungen zur Umsetzung der Mindeststandards der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft; 3. Fassung 07.2021)
Das routinemäßige Kürzen der Schwanzspitze ist verboten (vgl. Richtlinie 2008/120/EG vom 18.12.2008).
Ausnahmen vom grundsätzlichen Amputationsverbot sind nur zulässig, wenn der Eingriff im Einzelfall für die vorgesehene Nutzung des Tieres zu dessen Schutz oder zum Schutz anderer Tiere unerlässlich ist. Zu dichte Belegung, unzureichendes Stallklima, ein hoher Lärmpegel, schadhafter Spaltenboden oder Beschäftigungsmangel können u. a. Ursache von Schwanzbeißen sein. Bevor die Schwänze der Ferkel kupiert werden, sind diese Einflussfaktoren zu überprüfen und evtl. vorhandene Mängel abzustellen (alle beteiligten Parteien sind in der Pflicht). Sind die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, darf die Schwanzspitze von unter vier Tage alten Ferkeln betäubungslos gekürzt werden. Dabei darf maximal ein Drittel des Schwanzes abgesetzt werden, eine vollständige Amputation ist verboten. (Ausführungshinweise Schwein 2023-5 Hinweise § 5 Abs. 3 Nr. 3 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 3 Tierschutzgesetz i. d. F. v. 06. Aug. 2002 (BGBl. I S. 3082) 18. Mai 2006 (BGBl. I S.1206, 1313))
Weitere Informationen zum Kürzen des Ringelschwanzes unter:
Das Abschleifen der Eckzähne beim Saugferkel ist kein Routineeingriff. (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 5 Abs. 3 Nr. 5 Tierschutzgesetz)
Nur wenn es zum Schutz des Muttertieres oder der Wurfgeschwister unerlässlich ist, dürfen die Eckzähne von unter acht Tage alten Saugferkeln von sachkundigen Personen abgeschliffen werden.
Das Abkneifen der Eckzähne ist in jedem Fall verboten, da hierbei keine intakte glatte Oberfläche zu erzielen ist und die Gefahr von Zahnfrakturen einschließlich schwerer Folgeschäden besteht (Eintrittspforte für Infektionserreger!). (Ausführungshinweise Schwein 2023-5 Hinweise § 5 Abs. 3 Nr. 3 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 3 Tierschutzgesetz i. d. F. v. 06. Aug. 2002 (BGBl. I S. 3082) 18. Mai 2006 (BGBl. I S.1206, 1313))