Bewegungsbucht- wie geht das?

Mit der Änderung der Tierschutz- Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) vom 09. Februar 2021 ist in Neu- und Umbauten bereits jetzt, und in Altställen spätestens ab dem 09.Feb.2029 (Fristen) die Bewegungsbucht der neue Mindeststandard im Abferkelstall in Deutschland.

Bisher werden Sauen in konventionellen Abferkelställen in sogenannten Ferkelschutzkörben gehalten (siehe Bild 1). Diese schränken das natürliche Verhalten der Sauen jedoch stark ein (Ferkelschutzkorb). In Bewegungsbuchten kann der vorhandene Ferkelschutzkorb geöffnet werden, wodurch der Sau mehr Platz für natürliches Verhalten wie sich Umdrehen oder ein paar Schritte gehen ermöglicht wird (siehe Bild 2). In Deutschland wurde die Höchstdauer, wie lange der Ferkelschutzkorb geschlossen sein darf, auf maximal fünf Tage festgelegt. Die Fixierung im Ferkelschutzkorb hat das Ziel, Erdrückungsverluste bei den Ferkeln zu minimieren und gleichzeitig die Arbeitssicherheit der Mitarbeitenden zu gewährleisten.

Die Bewegungsbucht soll die Bedürfnisse der Sauen besser berücksichtigen. Bei geöffnetem Ferkelschutzkorb kann die Sau von der verbesserten Haltungsmethode profitieren und sich beispielsweise umdrehen. In den fünf Tagen, in denen der Ferkelschutzkorb geschlossen ist, ergeben sich jedoch die gleichen Nachteile, wie sie auch die bisher vorhandenen dauerhaft geschlossenen Ferkelschutzkörbe aufwiesen (Siehe Grafik 1).

Grafik 1: Vorteile (grün) und Nachteile (rot) der Bewegungsbucht für Mensch und Tier.

Grafik 1: Vorteile (grün) und Nachteile (rot) der Bewegungsbucht für Mensch und Tier.

Nicht alle Vorteile, die in der freien Abferkelung beobachtet werden, können in der Bewegungsbucht wiedergefunden werden. So ist die Geburtslänge, die Anzahl Totgeborener und das Nestbauverhalten in der Bewegungsbucht mit den Leistungsdaten des Ferkelschutzkorbes vergleichbar und nicht mit den schnelleren Geburten und geringeren Totgeborenenraten der freien Abferkelung. Über die Anzahl der Ferkelverluste in den unterschiedlichen Haltungssystemen wird viel diskutiert und geforscht. Das Thema wird weiter unten (Saugferkelverluste in unterschiedlichen Haltungssystemen) erläutert.

Will man später von der Bewegungsbucht auf die freie Abferkelung umrüsten, sind die Kosten oft beträchtlich. In Buchten für die freie Abferkelung werden z.B. höhere Trennwände benötigt. Häufig erlaubt auch der Boden keine Trennung von Funktionsbereichen (z.B. Kotbereich) und ist nicht für das Ausbringen von Nestbaumaterial auf dem Boden geeignet. Dies ist für die Hygiene in der Bucht sowie das Ausüben der natürlichen Verhaltensweisen wie dem Nestbauverhalten jedoch sehr wichtig. Werden bei Umbauten Kompromisse gemacht, ist das Endresultat häufig nicht vollständig zufriedenstellend. Es ist darum wichtig zu betonen, dass die Bewegungsbucht NICHT als Zwischenschritt zur freien Abferkelung betrachtet werden sollte. Falls eine spätere Umrüstung bereits jetzt in Erwägung gezogen wird (siehe Zukunftsfähigkeit der Bewegungsbucht), sollte die Bewegungsbucht bereits nach den Anforderungen für eine Bucht zur freien Abferkelung gebaut sein, wie auch von der Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfohlen.

Bild 1 und 2: Geschlossene und offene Bewegungsbucht aus Vogelperspektive mit einer Sau mit Ferkeln.

Offene Bewegungsbucht

Zusammenfassung rechtlliche Vorgaben Abferkelbucht:

  • Mind. 6,5 m2 Bodenfläche
  • Sau kann sich ungehindert umdrehen (Wendekreis)
  • Fixation über maximal 5 Tage
  • Sau muss im Kastenstand ungehindert liegen, aufstehen und eine natürliche Körperhaltung einnehmen können
  • Liegebereich im Kastenstand mit max. 7 % Perforation
  • Kastenstandlänge mind. 220 cm
  • Platz hinter der Sau für Abferkeln/ Geburtshilfe
  • Schutzvorrichtungen gegen Erdrücken von Ferkeln
  • Ferkelnestgröße ermöglicht gleichzeitiges Ruhen aller Ferkel
  • Liegebereich der Ferkel mit min. 30 °C in ersten 10 Lebenstagen

Die genauen rechtlichen Vorgaben sowie Erklärungen zu den Begriffen finden Sie unter Rechtsänderung Abferkelstall

Die eine optimale Bewegungsbucht gibt es nicht. Abhängig von der betrieblichen Situation und persönlichen Vorlieben sind unterschiedliche Modelle möglich.
Unter Praxisbeispiele finden Sie eine Übersicht über einige unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten von Bewegungsbuchten mit echten Praxisbeispielen aus Bayern, Baden-Württemberg und verschiedenen Europäischen Ländern. Wir empfehlen Ihnen, sich Betriebe mit unterschiedlichen Buchtenstrukturen und unterschiedlichem Management auch vor Ort anzusehen und sich mit erfahrenen Berufskollegen und oder den Versuchs- und Bildungszentren (z.B. Bayerisches Staatsgut Schwarzenau) auszutauschen.

Mitarbeiterfreundlichkeit bei der Bewegungsbucht beachten:

  • Ferkelschutzkörbe sollten einfach, schnell und ohne viel Kraft zu bedienen sein.
    • Besonders an den Tagen vor der Geburt müssen viele Bewegungsbuchten auf einmal geschlossen werden. Eine einfache Bedienung ohne viel Kraft und mit möglichst wenigen Handgriffen ist darum empfehlenswert. Um das Gehör von Mensch und Tier zu schonen und Stress zu reduzieren, ist es zudem vorteilhaft, wenn das Öffnen/Schließen nicht mit lauten Geräuschen verbunden ist.
    • Aus Sicht des Arbeitsschutzes wird ein Schließmechanismus empfohlen, der ohne Betreten der Bucht oder geschützt durch eine bauliche Struktur zwischen Tier und Mensch betätigt werden kann.
  • Das Erreichen des Sauentroges, der Tränke und des Ferkelnestes vom Stallgang aus, also ohne Betreten der Bucht, wurden von Landwirten als vorteilhaft berichtet.
    • Gestalten Sie die Bucht so, dass Routineaufgaben ohne Fixation der Sau funktionieren.
    • Beachten Sie, dass Sie sowohl bei geöffnetem als auch geschlossenem Ferkelschutzkorb noch genug Platz z.B. zum Einfangen der Ferkel oder Misten haben.
  • Liegt bei der Geburt das Ferkel-Ferkel-Intervall über einer Stunde, sollten dringend geburtshilfliche Maßnahmen eingeleitet werden. Um diese sicher und erfolgreich durchführen zu können, sollte zwischen hinterem Ende des Schutzkorbes und dem nächsten baulichen Hindernis (z.B. Abweisbügel, Trennwand) mindestens 40 cm Platz sein (Empfehlung Schwarzenau- Schweinefachtagung 2016).
  • Bezüglich der Leistungsdaten und Praxistauglichkeit gibt es keinen klaren Favoriten im Hinblick auf die Positionierung des Kastenstandes (diagonal, gerade), die Grundfläche (schmal, breit) oder den Öffnungsmechanismus (Flügel, Schiebetüren, klappbare Wände, modulare Systeme, etc.) (Schwarzenau- Schweinefachtagung 2016). Die für die Sau zur Verfügung stehende Fläche unterscheidet sich jedoch je nach Öffnungsmechanismus deutlich, weshalb hierauf ein besonderes Augenmerk gelegt werden sollte (rechtliche Vorgabe: ungehindertes Umdrehen).
  • Die Buchtenreinigung hat sich besonders bei geschlossenen Ferkelschutzkörben bei den meisten Bewegungsbuchten als aufwändig erwiesen. Achten Sie bereits in der Planung auf das Vorhandensein von Ecken oder schwer zugänglichen Bereichen (z.B. unter dem Trog, unter der Tränke, Rückseite von Abweisbügeln, etc.).

Bedürfnisse der Tiere bei der Bewegungsbucht beachten:

  • Der Kastenstand kann den Zugang zum Gesäuge erschweren. Besonders hinderlich ist es, wenn ein bauliches Hindernis (z.B. Buchtentrennwand, Abweisbügel) zu nahe am Kastenstand ist, so dass sich die Ferkel zum Säugen nicht ausgestreckt hinlegen können. Ein Mindestabstand von 40 cm zwischen Schutzkorb und baulichem Hindernis wird empfohlen (Empfehlung Schwarzenau- Schweinefachtagung 2016).
  • Die Sau legt sich bevorzugt dort ab, wo ausreichend Platz ist und sie mit dem Rücken an einer Wand liegt. Der Kopf wird vermehrt in Richtung Trog positioniert.
    • Für eine bessere Hygiene in der Bucht sollte ein klarer Kotbereich vorhanden sein (Strukturierung der Bucht). Als Kotbereich werden vermehrt feuchte, zugige Ecken, entfernt von der Futterstelle verwendet. Überlegen Sie sich, wo der bevorzugte Kotbereich in Ihrer Bucht wäre und ob ein Misten ohne Betreten der Bucht möglich ist.
  • Die Bodengestaltung in der Bewegungsbucht ist eine Herausforderung. Die Bodenfläche im Kastenstand soll der Sau ein bequemes Liegen mit der Möglichkeit zur Wärmeabgabe garantieren, außerdem die Sauberkeit des Gesäuges, Rutschfestigkeit und gleichzeitig Hygiene im Kotbereich der Sau gewährleisten. Bei geöffnetem Ferkelschutzkorb wird der Untergrund jedoch evtl. anders genutzt als zuvor. So liegen nun evtl. die Ferkel beim Säugen auf der einstigen Liegefläche der Sau, so dass der Boden auch dort nicht zu rau sein darf, um Verletzungen der Ferkel zu vermeiden. Der Kotbereich, welcher vorher an Ende des Kastenstandes war, wird nach Öffnen des Ferkelschutzkorbes häufig verlegt, so dass die Hygiene in der Bucht leiden kann. Helfen kann in diesem Fall das bodennahe Ausbringen von Stroh, Spänen, Heu etc., das nicht nur die Hygiene in der Bucht wieder verbessert, sondern auch für das Nestbauverhalten eine große Rolle spielt (siehe „Zeitpunkt der Fixierung“ weiter unten). Für das Ausbringen von bodennahem Beschäftigungsmaterial ist ein planbefestigter Boden oder Teilbereich vorteilhaft, da Beschäftigungsmaterial nicht durch die Spalten verloren gehen kann.
  • Um die Abferkelung ist die Sau in der Bewegungsbucht fixiert. Sie kann somit keine unterschiedlichen Temperaturzonen aufsuchen um sich abzukühlen. Während der Geburt erhöht sich die Körpertemperatur der Sau auf > 40 °C. Auch wenn sie nach der Geburt wieder sinkt, führt die aufgrund der Milchproduktion erhöhte Stoffwechseltätigkeit bei der Sau zu einer starken Wärmebildung. Die Sau hat also das Bedürfnis während der Geburt und Säugezeit Körperwärme an die Umgebung abzugeben. Stellen Sie sicher, dass die Umgebungstemperatur der Sau möglichst tief ist (16 – 20 °C) und die Sau z.B. über den Boden Wärme abgeben kann. Strahlungswärme z.B. durch das Ferkelnest sollte vermieden werden. Unterschiedliche Temperaturzonen in der Bucht werden empfohlen. Für Temperaturzonen für die Ferkel finden Sie hier (Saugferkel) weitere Informationen
  • Bereits innerhalb der ersten Lebensstunden nehmen Ferkel Wasser auf. Dies trifft besonders für schwache und kleine Ferkel zu. Mutter-Kind-Tränken (mit Trogfluter) entsprechen dem natürlichen Trinkverhalten der Schweine (Schlürfen) und garantieren, dass den Ferkeln immer frisches Wasser zur Verfügung steht. Hingegen steht in Nippeltränken das Wasser oft bereits mehrere Tage ungenutzt, in der Zeit wo keine Ferkel anwesend sind in der Leitung.
  • Die meisten Erdückungsverluste treten in der Zeit der geschlossenen Ferkelschutzkörbe auf. Erdrückungsverluste können auf viele Arten beeinflusst werden (Saugferkel „Erdückungsverluste minimieren“) und sind auf viele Faktoren zurück zu führen (Saugferkelverluste in unterschiedlichen Haltungssystemen).
  • In den ersten Tagen in der Abferkelbucht sind die Sauen für gewöhnlich noch nicht fixiert. Achten Sie darauf, dass den Tieren genug Platz zum Umdrehen zur Verfügung steht und Sie Platz zum Ein- und Ausstallen haben. Die erleichtert und beschleunigt auch den Ein- und Ausstallprozess für die Mitarbeitenden (siehe „Fläche für die Sau in der Bucht & natürliches Drehverhalten“ weiter unten im Text)

Auch wenn die Bewegungsbucht auf den ersten Blick der bisherigen Haltung im Ferkelschutzkorb bezüglich Management zu ähneln scheint, gibt es einige Aspekte, die für die Bewegungsbucht überdacht werden sollten.

  1. Zeitpunkt der Einstallung in den Abferkelstall:

    Wie bei der bisherigen Haltung im Ferkelschutzkorb ist auch bei der Bewegungsbucht ein Umstallen in den Abferkelstall mehrere Tage vor errechneter Abferkelung sinnvoll. Umstallungen erst am 114. Trächtigkeitstag oder später werden in Fachartikeln mit vermehrter Unruhe, mehr Totgeborenen und längeren Ferkel-Ferkel-Intervallen in Verbindung gebracht.

  2. Zeitpunkt der Fixierung:

    Die maximale Dauer der Fixierung ist in Deutschland mit fünf Tagen rechtlich vorgeschrieben. Die Fixierung der Sau um die Geburt soll die Höhe der Erdrückungsverluste minimieren und die Arbeitssicherheit der Mitarbeitenden erhöhen (Geburtshilfe, zootechnische Maßnahmen beim Ferkel, etc.). Da Erdrückungsverluste vermehrt in den ersten drei bis fünf Tagen nach der Geburt auftreten, ist die Sau in dieser Zeit in Bewegungsbuchten besonders häufig fixiert. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass die Sau zum Zeitpunkt der Einstallung in den Abferkelstall (häufig sieben bis drei Tage vor errechneter Abferkelung) vorerst nicht fixiert wird. Die Fixierung von Tieren, insbesondere, wenn diese keine Erfahrung mit der Unterbringung oder Fixierung sowie menschlichen Interaktion haben, kann zu Stress bei den Tieren führen und natürliche Verhaltensweisen während der Geburt beeinträchtigen. Daher gibt es Vor- und Nachteile, die bei der Festlegung des geeigneten Zeitpunkts für die Fixierung berücksichtigt werden müssen. Einige Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Zeitpunkte der Fixierung werden hier aufgeführt:

    Fixierung vor der Geburt: Da viele Sauen natürlicherweise nachts abferkeln, werden die Sauen mehrheitlich bereits ein bis zwei Tage vor dem errechneten Geburtstermin im Ferkelschutzkorb fixiert. Hierdurch wird sichergestellt, dass auch Sauen welche vor dem geplanten Zeitpunkt abferkeln, bereits im Ferkelschutzkorb fixiert sind.

    Dies hat jedoch Folgen für das natürliche Verhalten der Sau. Sechs bis 24 h vor Beginn der Geburt beginnt die Sau typischerweise mit dem Nestbauverhalten, einem natürlichen Verhaltensbedürfnis, welches Stress bei der Sau reduziert und den Ausstoß von mütterlichen Hormonen, wie dem Hormon Oxytocin positiv beeinflusst. Positive Eigenschaften wie Mütterlichkeit, Ruhe, Fürsorglichkeit bezüglich des Abliegeverhaltens sowie weniger Unruhe werden von vielen Wissenschaftlern mit dem Nestbauverhalten in Verbindung gebracht. Auch die in der freien Abferkelung beobachteten schnelleren Geburten, weniger Totgeborene sowie weniger Komplikationen nach der Geburt (Milchfieber, Ausfluss, Fressunlust) sollen dadurch bedingt werden. Wird eine Sau in diesen Stunden vor der Geburt jedoch fixiert, kann sie das Nestbauverhalten nur teilweise oder gar nicht ausüben und die mit dem Nestbauverhalten in Verbindung gebrachten positiven Eigenschaften werden seltener beobachtet. Weiter berichten Wissenschaftler, dass die Häufigkeit des Säugens in den ersten zwei Tagen nach der Geburt bei Sauen, die bereits vor der Geburt fixiert wurden, reduziert ist.

    Es wird empfohlen, die Fixierung nicht mehr als zwei Tage, besser maximal einen Tag vor dem voraussichtlichen Geburtstermin zu beginnen. Da die Fixierung auf maximal fünf Tage beschränkt ist, und ihr Ziel darin besteht, Erdrückungsverlusten zu minimieren, würde eine frühere Fixierung die Wirksamkeit dieses Schutzmechanismus nach der Geburt um wertvolle Tage verkürzen.

    Fixierung mit Beginn der Geburt: Dieses Vorgehen ist theoretisch möglich und würde der Sau die Möglichkeit zu mehr Nestbauverhalten geben. In der Praxis stellt es sich jedoch als kaum durchführbar dar, da der Geburtsbeginn vorab nicht sicher definiert werden kann und der damit verbundene Arbeitsaufwand als sehr hoch eingeschätzt wird. Während manche Wissenschaftlern bei diesem Verfahren von einer geringeren Anzahl von Totgeborenen berichten, wird in anderen Veröffentlichungen von längeren Geburten und der Notwendigkeit von mehr Geburtshilfe berichtet. Um Stress durch die menschliche Interaktion und die Fixierung zu reduzieren, sollte dieses Verfahren nur angewendet werden, wenn die Sau mit der Haltung im Ferkelschutzkorb vertraut ist.

    Fixierung kurz nach der Geburt: Auch hier wird der Sau die Möglichkeit für Nestbauverhalten gegeben, sowie die Möglichkeit unter der Geburt unterschiedliche Temperaturzonen zu wählen, oder sich zu bewegen. Wissenschaftler berichten von höheren Geburtsgewichten und höherem Blutzucker und mehr Immunzellen im Blut der ein Tag alten Saugferkel, wenn der Ferkelschutzkorb bis zum Ende der Geburt offen ist. Zeitgleich wird im Vergleich zur Fixierung vor Geburt und/oder der freien Abferkelung teilweise von mehr Erdrückungsverlusten und toten Ferkeln mit leerem Magen berichtet. Dies scheint besonders bei sehr produktiven Rassen ausgeprägt zu sein. Ähnlich wie bei der Fixierung mit Beginn der Geburt besteht aus arbeitswirtschaftlicher Sicht die Schwierigkeit, das Ende der Geburt der Sau vorherzusagen und es bedeutet einen hohen Arbeitsaufwand, alle Tiere zu individuellen Zeitpunkten zu fixieren. Für Jungsauen kann dies jedoch ein geeignetes System sein. Sie haben häufig kleinere Würfe, was das Risiko von Saugferkelverlusten durch Erdrücken minimiert. Zudem kennen sie mit Ablauf der Übergangsfrist die Kastenstandhaltung nicht (ab 9.Feb.2029 keine Kastenstandhaltung mehr im Deckzentrum) weshalb die Fixierung bei ihnen zu mehr Stress führen könnte, welcher sich vor der Geburt negativ auf den Geburtsablauf auswirken kann.

    Fazit: Die Auswirkungen des Zeitpunktes der Fixierung sind nach wissenschaftlicher Datenlage nicht einheitlich. Die Sterblichkeitsrate an Tag drei und vier nach der Geburt scheint jedoch einheitlich nicht vom Zeitpunkt der Fixierung abhängig zu sein. Wurfgröße, Erfahrungen der Sau/ Jungsau, die Möglichkeit zum Nestbauverhalten sowie die Buchtenstruktur scheinen im Zusammenspiel mit dem Zeitpunkt der Fixierung unterschiedliche Resultate zu erzeugen. Letztendlich muss darum jeder Bestand individuell herausfinden, ob und wann seine Sauen und Jungsauen zu fixieren sind.

  3. Zeitpunkt des Öffnens der Bewegungsbucht

    Die Sau darf nach rechtlichen Vorgaben in Deutschland für maximal fünf Tage im Abferkelstall fixiert werden. Je nach Zeitpunkt der Fixierung (vor, zu Beginn, zum Ende- der Geburt) ergibt sich so ein Maximum, wie lange die Sau nach Geburt noch fixiert werden darf. An Tag sechs nach der Geburt darf keine Sau mehr fixiert sein.

    Insgesamt haben sich nur wenige Studien mit dem Öffnen des Ferkelschutzkorbes beschäftigt. Das individuelle Öffnen des Ferkelschutzkorbes in einzelnen Buchten und nicht abteilsweise, sowie ein Öffnen am Nachmittag oder Abend im Vergleich zu morgens scheint bezüglich der Ferkelsterblichkeit vorteilhaft zu sein. Da die Jungsauen und Sauen durch die Fixation nicht lernen konnten, z.B. beim Abliegevorgang auf ihre Ferkel zu achten, kann es direkt nach dem Öffnen zu vermehrten Saugferkelverlusten kommen.

Bewegungsbuchten mit 4,3 – 6,3 m2 uneingeschränkt nutzbarer Bodenfläche für die Sau können laut Literatur die gleichen Überlebensraten bei Saugferkeln erzielen wie die permanente Haltung im Ferkelschutzkorb (Quelle: EFSA). Um die gleichen Leistungsdaten zu erhalten, wird für Buchten mit freier Abferkelung eine Bodenfläche für die Sau von durchschnittlich 6,6 m empfohlen. Doch wie viel Platz braucht die Sau um sich zu drehen? Die juristische Definition für ungehindertes Umdrehen finden Sie unter „Rechtstext, Abferkelstall“. Beobachtet man das Verhalten einer Sau in einer Bucht mit 4 m Länge x 2,4 m Breite, dreht sich die Sau in 24 Stunden fast 200 Mal. Das Drehverhalten bliebt unverändert, wird die Breite auf 100 % oder 90 % der Länge der Sau reduziert. Eine Reduktion auf 80 % der Länge der Sau führte zu einer Verhaltensänderung mit signifikant weniger Drehbewegungen. Bei weiterer Reduktion der Breite der Bucht nahm die Anzahl der Drehbewegungen weiter drastisch ab. Bei einer Verkürzung auf 60 % der Länge der Sau wurden unter 36 Drehbewegungen; bei einer Verkürzung auf 50 % der Länge der Sau weniger als zwei Drehbewegungen in 24 Stunden beobachtet (Bøe et al. 2011). Ist die Seite einer Bucht kürzer als 90 % der Länge der Sau ist folglich mit Verhaltensänderungen der Sauen zu rechnen, weshalb Buchten mit diesen Maßen aus tierschutzfachlicher Sicht für die Haltung von Sauen nicht geeignet sind.

Laut einer großen Europäischen Studie (InterPig (AHDB, 2021a)) liegt die Saugferkelsterblichkeit (prozentueller Anteil gestorbener von lebend geborenen Ferkeln von Geburt bis Absetzen) in Europäischen Ländern inklusive UK bei Sauen in konventionellen Kastenständen durchschnittlich etwa bei 14,2 % (mit 90 % Sicherheit im Bereich von 12,4 % – 17,0 %). Laut Experten kann es zwischen Betrieben bis zu 22 % Unterschied geben, was bedeutet, dass in 80 % der Betriebe die Saugferkelsterblichkeit bei Sauen in konventionellen Kastenständen zwischen 10,2 % und 18,3 % liegt. Für Bewegungsbuchten mit einem durchschnittlichen Platz für die Sau von 4,3 m2 bis 6,3 m2 kann die gleiche Ferkelüberlebensrate wie im Kastenstand erreicht werden. Bei einer Fixierung bis mindestens sieben Tage nach Geburt (Anmerkung: in Deutschland nicht erlaubt) wird eine durchschnittliche Saugferkelsterblichkeit von 14,0 % erwartet (mit 90 % Sicherheit in Bereich von 12 % bis 17 %). Wird die Sau in der Bewegungsbucht nie fixiert, erwarten die Wissenschaftler einen Anstieg der Saugferkelsterblichkeit von durchschnittlich 24 % im Vergleich zum Kastenstand (mit 90 % er Sicherheit ein Anstieg der Saugferkelsterblichkeit um 3 % bis 59 %). Dies würde in einer Saugferkelsterblichkeit von durchschnittlich 18 % (mit 90 % Sicherheit im Bereich zwischen 14 % und 24 %) resultieren. Der durchschnittliche Anstieg der Saugferkelverluste in der freien Abferkelung wird von den Experten mit einem schlecht funktionierenden Betrieb mit Kastenstandhaltung verglichen. Schaut man sich die tatsächlich von den Ländern übermittelten Zahlen zu Saugferkelverlusten an, welche die freie Abferkelung seit Jahren praktizieren, zeigt sich jedoch ein ganz anderes Bild (Grafik 2).

Grafik 2: Geschätzte und übermittelte europäische Durchschnittswerte der Saugferkelverluste für unterschiedliche Haltungssysteme im Abferkelstall in Verbindung mit übermittelten Werten einzelner Länder mit diesen Systemen. Da die Bewegungsbucht bisher nur vereinzelt in Benutzung ist, liegen hierzu keine länderspezifischen Zahlen vor.

Grafik 2: Geschätzte und übermittelte europäische Durchschnittswerte der Saugferkelverluste für unterschiedliche Haltungssysteme im Abferkelstall in Verbindung mit übermittelten Werten einzelner Länder mit diesen Systemen. Da die Bewegungsbucht bisher nur vereinzelt in Benutzung ist, liegen hierzu keine länderspezifischen Zahlen vor.

Ein Blick in die Praxis der freien Abferkelung und des Ferkelschutzkorbes in puncto Saugferkelverluste:

Grafik 3: Saugferkelverluste in unterschiedlichen Ländern errechnet als prozentualer Anteil der Verluste der lebend geborenen Ferkeln ab Geburt bis zum Absetzen.

Grafik 3: Saugferkelverluste in unterschiedlichen Ländern errechnet als prozentualer Anteil der Verluste der lebend geborenen Ferkeln ab Geburt bis zum Absetzen.

Grafik 3 zeigt, wie sich die Saugferkelverluste in verschiedenen Ländern über die Jahre unterschiedlich entwickelt haben. In den Ländern in Rot-Tönen ist die Anzahl der Saugferkelverluste um bis zu 2 % Punkte gestiegen. Hingegen wurde in Ländern in Blau-Tönen eine Reduktion der Saugferkelverluste um bis zu 3 % beobachtet. So ergeben sich länderspezifisch große Unterschiede in den Saugferkelverlusten, welche 2022 in den Ländern, zu denen Daten präsentiert werden, zwischen 10,1 % und 15,4 % lagen. Doch welche Ursachen verbergen sich dahinter? Schaut man sich die Entwicklung der durchschnittlichen Anzahl lebend geborener Ferkel/Sau/Wurf in diesen Ländern an, so ist in allen Ländern ein Anstieg, jedoch in unterschiedlichem Maß, zu sehen (Grafik 4).

Grafik 4: Durchschnittliche Anzahl lebend geborener Ferkel pro Sau und Wurf in unterschiedlichen Ländern.

Grafik 4: Durchschnittliche Anzahl lebend geborener Ferkel pro Sau und Wurf in unterschiedlichen Ländern.

Der Anstieg zwischen 2011 und 2022 variiert länderabhängig zwischen 0,6 bis 3,4 mehr lebend geborene Ferkel/Sau/Wurf. Wissenschaftler sehen bereits seit langem einen Zusammenhang der steigenden Wurfgröße mit steigenden Saugferkelverlusten, welcher sich auch hier in den Zahlen wiederfindet. Doch spielt auch das Haltungssystem, also Kastenstand versus freie Abferkelung eine Rolle? Bei der Betrachtung der Legende wird klar, dass die Werte in Rot-Tönen aus Ländern und Herden mit mehrheitlicher Haltung im Kastenstand stammen, während die Werte in Blau-Tönen aus Ländern und Herden mit freier Abferkelung stammen.

Betrachtet man die vorliegenden Werte, lagen die Saugferkelverluste 2022 in Ländern und Herden mit Kastenstandhaltung somit tendenziell höher oder vergleichbar als in denen mit freier Abferkelung. Die Zahlen zeigen somit deutlich, dass das Haltungssystem alleine nicht primär Ursache für die Saugferkelverluste sein kann. Vielmehr spielen andere Faktoren wie die durchschnittliche Anzahl lebend geborener Ferkel/Sau, Genetik, Management und viele weitere Faktoren eine wichtige Rolle bei der Kontrolle von Saugferkelverlusten. Da die Zahlen nicht weit genug zurückreichen, ist aber ein Anstieg der Saugferkelverluste in den Jahren um und nach der Umstallung des Systems auch nicht auszuschließen. Vielmehr scheinen Länder mit freier Abferkelung Wege gefunden zu haben, wie sie die Saugferkelverluste Jahr für Jahr, trotz leicht steigender Anzahlen an lebend geborenen Ferkeln/ Sau/ Wurf reduzieren konnten.

Es ist zu berücksichtigen, dass sich die Datenerhebung zwischen den Ländern möglicherweise unterscheidet. Weitere Einzelheiten zu den Ländern und ihren Leistungsdaten werden im Folgenden dargestellt.

Bayern (Deutschland)

Im Jahr 2022 wurden in Bayern von 791 Ferkelerzeugern im durschnitt 120 Tiere je Betrieb gehalten. Nur dreizehn Betriebe halten mehr als 400 Sauen. Je höher die Anzahl an Sauen im Betrieb angegeben wurde, desto höher die Anzahl abgesetzter Ferkel je Sau und Jahr. In größeren Betrieben, wurden nach diesen Angaben höhere Saugferkelverluste übermittelt. Eine allgemeine Übersicht zu Leistungsdaten in Bayern ist in Grafik 5.1 und für gesamt Deutschland in Grafik 5.2 dargestellt. Mit 34,3 % war die Deutsche-Landrasse –Sau die am häufigsten Verbreitete Genetik in Bayern, wobei sie besonders häufig in kleinen Zuchtsauenbetrieben vorherrschte (LKV Bayern-Jahresbericht 2022).

Grafik 5.1: Saugferkelverluste (%) und durchschnittliche Anzahl lebend geborene & abgesetzte Ferkel/ Sau/ Wurf in Bayern seit 2000(LKV Bayern)

Grafik 5.1: Saugferkelverluste (%) und durchschnittliche Anzahl lebend geborene & abgesetzte Ferkel/ Sau/ Wurf in Bayern seit 2000(LKV Bayern)

Grafik 5.2: Saugferkelverluste (%) und durchschnittliche Anzahl lebend geborene & abgesetzte Ferkel/ Sau/ Wurf in gesamt Deutschland seit 2010(Bundesverband Rind und Schwein e. V.). Die Daten wurden anders erhoben/ berechnet, als in den anderen Ländern. Erklärungen zur Berechnung/ Herkunft der Daten können unter https://erzeugerring.info/services/files/handbuchErzeugerringe.pdf eingesehen werden.

Grafik 5.2: Saugferkelverluste (%) und durchschnittliche Anzahl lebend geborene & abgesetzte Ferkel/ Sau/ Wurf in gesamt Deutschland seit 2010(Bundesverband Rind und Schwein e. V.). Die Daten wurden anders erhoben/ berechnet, als in den anderen Ländern. Erklärungen zur Berechnung/ Herkunft der Daten können unter https://erzeugerring.info/services/files/handbuchErzeugerringe.pdf eingesehen werden.

Dänemark

In Dänemark wurden 2022 in 1.298 Herden 974 918 Sauen gehalten. In 129 Beständen lag die Anzahl Sauen bei maximal 74 Stück, in 25 Beständen, wurden 3.000 oder mehr Sauen gehalten (www.statbank.dk/HDYR2). 2011 hat sich die Industrie in Dänemark das Ziel gesetzt, bis 2021 in 10 % der Zuchtherden die freie Abferkelung einzuführen. Tatsächlich lag der Anteil freier Abferkelungen oder Bewegungsbuchten in konventionellen Zuchtherden 2023 jedoch bei etwa 4% (SEGES Innovation –interne Kommunikation). Seit Oktober 2022 können dänische Landwirte eine Förderung für den Umbau der Abferkelställe zur freien Abferkelung oder zur Bewegungsbucht beantragen und für Neubauten wird durch das Agriculture & Food Council Pig Research Center die freie Abferkelung empfohlen.
Eine Analyse (SEGES Innovation P/S, Vinther 2022) der Produktivität dänischer Herden mit DanBred Genetik zeigt, dass die Anzahl lebend geborener und abgesetzter Ferkel in Dänemark seit Jahren deutlich steigt. Zeitgleich steigen auch die Zahlen der Saugferkelverluste (prozentualer Anteil an Verlusten von lebend geborenen Ferkeln bis zum Absetzen), siehe Grafik 6.

Grafik 6: Saugferkelverluste (%) und durchschnittliche Anzahl lebend geborene Ferkel/ Sau/ Wurf sowie abgesetzte Ferkel/ Sau/ Wurf in Dänemark seit 2008 (SEGES  Innovation P/S, Vinther 2022 and 2017)

Grafik 6: Saugferkelverluste (%) und durchschnittliche Anzahl lebend geborene Ferkel/ Sau/ Wurf sowie abgesetzte Ferkel/ Sau/ Wurf in Dänemark seit 2008 (SEGES Innovation P/S, Vinther 2022 and 2017)

Vereinigtes Königreich (UK):

Im vereinigten Königreich werden etwa 40 % der Sauen im Freien (Outdoor) gehalten und ferkeln frei ab. Die restlichen 60 % werden in Gebäuden (Indoor) gehalten und die überwiegende Mehrheit ferkelt in Ferkelschutzkörben ab (AHDB Evidence report Aug. 2020). Anhand der Daten der AHDB (Agriculture and Horticulture Development Board) zu Saugferkelverlusten und Anzahl lebend geborener Ferkel/Wurf wurde folgende Grafik (Grafik 7) und Tabelle (Tabelle 1) erstellt.

Tabelle 1: Leistungsdaten nach Haltungssystem in UK
Haltungssystem Ø lebendgeborene Ferkel/ Wurf
(2019- 2023)
Ø Saugferkel-sterblichkeit
(2019- 2023)
Outdoor (freie Abferkelung) 12,51 12,30 %
Indoor (Ferkelschutzkorb) 14,08 12,45 %
Grafik 7: Saugferkelverluste (%) und durchschnittliche Anzahl lebend geborener Ferkel/ Wurf in UK seit 2010 in Outdoor (freie Abferkelung) und Indoor (Ferkelschutzkorb) Herden (porktools.ahdb.org.uk)

Grafik 7: Saugferkelverluste (%) und durchschnittliche Anzahl lebend geborener Ferkel/ Wurf in UK seit 2010 in Outdoor (freie Abferkelung) und Indoor (Ferkelschutzkorb) Herden (porktools.ahdb.org.uk)

Schweiz:

Nach einer Übergangsfrist von 10 Jahren wurde in der Schweiz 2007 die freie Abferkelung als Mindeststandard für alle Betriebe eingeführt. Auswertungen aus den Jahren 2002 und 2003 zeigten (Weber et. al. 2006), dass sich die Saugferkelverluste in den über 600 untersuchten Schweizer Betrieben zwischen den Haltungssystemen (Kastenstand versus freie Abferkelung) nicht unterschieden und durchschnittlich bei 12,1 % lagen. In Betrieben mit freier Abferkelung wurden zwar signifikant mehr Ferkel erdrückt, jedoch wurden signifikant weniger sonstige Verlustursachen festgestellt. Laut Angaben der SUISAG, einem Schweizer Unternehmen, welches sich auf Genetik, Gesundheit und Herdenmanagement bei Schweinen spezialisiert hat, sind die Saugferkelverluste im Durchschnitt seit Jahren rückläufig (Datensatz erhalten in privater Kommunikation), siehe Grafik 8. Dies wird unter anderem mit der jahrelangen Selektion auf ruhige Sauen erklärt. Aggressive Sauen, ob gegen Menschen oder Ferkel, werden von den Schweizer Herdbuchbetrieben seit 20 Jahren konsequent ausselektiert und erzeugen keine Nachkommen mehr.

Grafik 8: Saugferkelverluste und durchschnittliche Anzahl lebend geborener Ferkel/ Wurf in der Schweiz seit 2013 nach Daten der SUISAG für zwei Schweizer Rassen (freie Abferkelung).

Grafik 8: Saugferkelverluste und durchschnittliche Anzahl lebend geborener Ferkel/ Wurf in der Schweiz seit 2013 nach Daten der SUISAG für zwei Schweizer Rassen (freie Abferkelung).

Norwegen:

2003 hat die Norwegische Gesetzgebung den Kastenstand im Abferkelstall abgeschafft. Zahlen zu Saugferkelverlusten direkt vor oder nach der Umstellung konnten nicht gefunden werden. Insgesamt ist die Anzahl der Saugferkelverluste in Norwegen im letzten Jahrzehnt deutlich rückläufig, bei einer steigenden Anzahl lebend geborener Ferkel/Wurf (Ingris Årsstatistikk 2022), siehe Grafik 9.

Grafik 9: Saugferkelverluste und durchschnittliche Anzahl lebend geborener Ferkel/Wurf in Norwegen seit 2011 (freie Abferkelung).

Grafik 9: Saugferkelverluste und durchschnittliche Anzahl lebend geborener Ferkel/Wurf in Norwegen seit 2011 (freie Abferkelung).

Gesamtfazit Saugferkelverluste:

Entgegen der Erwartungen von Wissenschaftlern und der verbreiteten Annahme hoher Saugferkelverluste in der freien Abferkelung zeigen die hier vorgestellten Zahlen, dass Saugferkelverluste nicht primär mit der Haltung im Abferkelbereich zusammenhängen müssen. Vielmehr übermitteln Ländern mit langjähriger Erfahrung in der freien Abferkelung tendenziell niedrigere Zahlen, und wichtig, seit Jahren fallende Zahlen zu Saugferkelverlusten als Länder mit Kastenstandhaltung. Die Jahrzehntelange Erfahrung unter Einbeziehung der Zucht und des Managements mit besonderem Augenmerk auf die Mensch-Tier Beziehung und Reduktion der Saugferkelverluste scheinen Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Einführung dieses Haltungssystems zu sein.

In Deutschland wird die Bewegungsbucht der neue Mindeststandard für den Abferkelstall. Doch wie sieht das in Europa aus? Aktuell ist der Ferkelschutzkorb/Kastenstand in den meisten europäischen Ländern Standard. Doch immer mehr Länder und Organisationen beschäftigen sich mit Alternativen. Neben Deutschland hat sich auch Österreich bereits 2010 entschieden, die Bewegungsbucht als neuen Mindeststandard einzuführen. In den skandinavischen Ländern und in der Schweiz ist die freie Abferkelung seit Jahren verpflichtend (Übersicht siehe Kastenstand). Auch das Europäische Parlament beschäftigt sich mit dem Thema und hat erklärt, einen Gesetzesvorschlag zur schrittweisen Abschaffung von Käfigsystemen auch bei Sauen vorzulegen. Laut Europäischer Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ist nicht länger die Frage wann die Freiheit beim Abferkeln und in der Säugezeit kommt, sondern wie. (Quelle englisch: https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.2903/j.efsa.2022.7421) Auch laut dem deutschen Friedrich- Löffler- Institut (FLI) ist die „Freiheit der Sauen während (der) Abferkelung und Säugezeit die Zukunft“ (Quelle: https://www.fli.de/de/aktuelles/kurznachrichten/neues-einzelansicht/freiheit-fuer-sauen-waehrend-abferkelung-und-saeugezeit-ist-die-zukunft/).